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IVEN EINSZEHN ALL YOU CAN ART |
: Email © Text | Bild | Web: Iven Einszehn & VG Bild-Kunst
Fußnote:
Die Polizei und die Kunst
Die Kunst wird ja gerne falsch verstanden, viel
lieber noch – gar nicht. Grund genug, sich einzumischen, sich aufzuregen, zu
hetzen und zu ätzen. Bei der Kunst denkt nämlich jeder, dass es vollkommen
ausreicht, keine Ahnung zu haben, um mitzureden. Da haben es Mathematiker
schon besser. Kein Ahnungsloser stellt deren Kenntnisse in Zweifel und wagt
es, denen mit blöden Ideen zu kommen.
Neulich war die Polizei zu Besuch.
Beschwerden wegen Kunst auf dem Fensterbrett meines Arbeitszimmers. Da
blickt ein Puppenobjekt auf die Straße, die
Wutprobe. Eine Puppenskulptur,
der ich vermittels eines in den Schritt genähten Böllers eine hübsche
Erektion[1]
verpasst habe. Das einfache Gemüt erkennt natürlich nicht die Gewitztheit an
der Sache, die sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt. Das Objekt stellt
offensichtlich einen Jugendlichen dar, der sich auflehnt. Gegen jeden und
alles. Pflastersteine und idealisierte Proteste von Anarchie, Hausbesetzung,
Linksradikalität und elterliche Sorge inclusive. Und dann der Böller –
nichts anderes, als die aufkeimende Sexualität. Die ist in einem gewissen
Alter eben höchst explosiv, und sie explodiert in diesem gewissen Alter eben
in alle möglichen Richtungen.
Das alles erschließt sich dem einfachen Gemüt
allerdings nicht, weil eine Auseinandersetzung mit dem Werk nicht
stattfindet. Wozu auch, das führt ja zu nichts, davon würde man ja was
verstehen. Und das würde den Kurzschluss zunichtemachen. So fällt nicht auf,
dass sich dort zwar wohlplatziert ein Böller befindet, der Ständer hingegen
erst im Kopf des Betrachters entsteht. Und der wittert nun Pornografie! Das
sagt tatsächlich einiges aus. Aber nicht über die Kunst oder den Künstler. Die Polizei fragt, ob ich den Böller nicht abmachen
könnte? Also bitte: An der Kunst rummurksen? Abgelehnt. Oder die Skulptur
umdrehen? Nein. Oder ganz aus dem Fenster nehmen? Auch nicht. Dreimal nein.
Und die Polizei sieht das ein. Die Polizei hat weder gedrängt noch gefordert, nur
höflich gefragt. So war dieser zaghafte Versuch von Einflussnahme, der,
würde er in einem anderen Land geschehen, für uns bereits als versuchte
Zensur durchginge, eher amüsant. Für einen anderen Menschen allerdings wäre allein
ein Besuch der Polizei Einschüchterung genug gewesen, um ihren Wünschen zu
entsprechen. Dazu braucht es gar keine große Obrigkeitshörigkeit. Dazu
reicht es, dass die Polizei es einem weiszumachen versteht, sie handle
grundsätzlich aus gesetzlicher Rechtfertigung heraus. Nach dem Motto: Wenn
die Polizei schon kommt und etwas möchte, habe man entsprechend zu handeln.
So denkt beispielsweise ein Großteil der Bevölkerung, es gebe die Pflicht,
den Personalausweis stets mit sich zu führen, weil die Polizei bei jeder
Gelegenheit danach fragt. Diese Pflicht gibt es nicht, auch wenn die Polizei
es gerne anders hätte. Und so ist auch der Besuch der Polizei bei mir eine
vollkommen fehlgesteuerte Amtshandlung. Was fällt der überhaupt ein,
deswegen bei mir aufzutauchen! Das einzige, was sie hätte tun dürfen, wäre
eine Besichtigung der vermeintlich inkriminierten Kunst. Von der Straße aus. Um dann nicht mich mit nutzlosen Wünschen zu
behelligen, sondern den Beschwerdeführer mit der Gesetzeslage in diesem Land
vertraut zu machen! Dort und nur dort gab und gibt es Gesprächsbedarf.
Leider für immer und ewig. Denn Dummheit ist ein endlos nachwachsender
Naturrohstoff. Der beständige Abbau dieses Rohstoffs gehört durchaus zum
Tagesgeschäft eines Künstlers. Dazu gehört eine Frage, die mich immer wieder
beschäftigt:
Wieso gibt es in unseren Gesetzeswerken so etwas
Schwammiges wie die Erregung
öffentlichen Ärgernisses – aber die
öffentliche Entblödung ist
jederzeit gestattet?
[1]
Kleine Schwanzkunde:
In der Kunst wird nicht ohne Grund der Begriff Phallus verwendet.
Egal wie prachtvoll, übertrieben und drohend
die Latten da durch die Altertumsmuseen erigieren: Mit dem Begriff
Phallus wird der steife Schwanz
quasi entsexualisiert auf eine höhere Stufe der Betrachtung
gestellt. Antike Hammerlatten erheben sich kunstgeschichtlich allerdings irgendwie über zeitgenössische Ständer. Aus irgendeinem Grunde können moderne Schwänze in der Kunst also pornografisch sein, Hartholz, das 2000 Jahre überdauert hat, aber nicht. Das versteh mal einer!
(Und um das zu verstehen, überprüfe ich manche meiner Ausstellungen darauf, ob sie genug Schwanz hat ...) |
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